Jetlag, Nervosität und grenzenlose Neugier. Blutorangene Abendsonne, wabernder Dunst, grauer Beton, übereinander laufende Autobahnen in Endlosschleifen.
Meine Ankunft in Japan 2002 war eine erlebte Mischung aus verschiedenen Realitätsüberschneidungen. Einmal der örtlichen und der individuellen, dann die Schnittmengen der Schnittmengen der anderen Leute die im Auto saßen, und mich vom Flughafen in Narita abholten. Im Nachhinein kann ich das gesamte Jahr dort als eine einzige Schnittmenge der unterschiedlichsten Momente und Gegebenheiten ansehen. Manche hatten Ecken und Kanten, einige waren asymmetrisch, viele jedoch auch rund.
Die meisten Momente sind unweigerlich mit Musik verbunden, denn die ersten Monate waren teilweise abschreckend einsam und isoliert. Ein kleines CD-Radio-Gerät war mein Tor in die fremde Welt der japanischen Medien, die jedoch auf Dauer ebenso unerträglich sind, wie die meisten Lokalsender oder anderes Formatradio. Erfrischend anders war ein wöchentliches Programm auf Inter FM, mit einem abgedrehten Moderator. Er mixte ca. 2-3 Stunden Weltmusik mit seinen Vorlieben aus Rock’n Roll’n Punk Geschichte aller Länder. So kam ich irgendwann auch bei zwei japanischen Bands an, die ich auch heute immer wieder auf-, bzw. einlege. Den Namen des Moderators habe ich vergessen, aber ich habe mitbekommen, dass er wegen der wiederholten Aufrufe zur Demonstration gegen den Irak-Krieg während der laufenden Sendung letztendlich mehrere Abmahnungen seitens des Besitzers der Radiostation bekam. Irgendwann moderierte er dann seine letzte Sendung. Dabei verwies er immer wieder auf das fehlende Rückrad seines Chefs. Der Sender gehört zu einer großen japanischen Zeitung, die wer-weiss-wem gehört. Jedenfalls rettete mir besagter Mann mehrmals die Woche und machte aus Frust irgendwie Lust, doch noch auszuhalten.
(Anmerkung des Verfassers: An dieser Stelle hättet ihr ein wunderbares Video zu einem wundervollen Song von bewundernswerten Künstlern sehen können: Supercar: Wonder World)
(Quelle: youtube/ Number Girl: Num-Ami-Dabutz)
Ihr letztes Lied sangen sie dann auch, vor gar nicht allzu langer Zeit, die Bands Supercar (interessantes Solo-Projekte des Leadsängers „iLL“) und Number Girl (Weirdo und Leadsänger mit neuer Band „Zazen Boys“ ist auch hörenswert) Beide hätte ich gerne einmal live vor Ort gesehen. Doch allein das Stöbern bei Tower-Records in Shibuya, mit einem der zumindest damals wenigen Döner-Wagen vor der Tür, war die Sache dann wert. Jenseits des teilweise arg gruseligen J-Pops, kann man dort in den so genannten J-Indies versinken. Ich kann dort mehrere Stunden verweilen, ohne mich zu langweilen. Die Hütte ist so gigantisch, dass der pusselige Saturn mit seinen exorbitanten Preisen direkt zum weißen Zwerg schrumpfen kann.
One response to “Eine Wand, viele Wenden”
Ich erinnere mich an diesen Laden. Der war dann leider schon so groß, als das ich gar nicht wusste, wo ich überhaupt schauen sollte.
Schön fand ich dann eher den kleinen Musikladen im ersten Stock.
Japanischer Ska ist ne echte Erfahrung wert 🙂