Die vermaledeite Zeit verfliegt immer dann, wenn sie es nicht tun sollte. Hier vergehen die kalten, nassen Tage immer schneller, der Schnee am Fuß der Berge taut weg und an vielen Bäumen kann man Knospen sehen. Der Frühling kommt, tilt geht: Der Unterricht ist beendet, die Tests korrigiert, Noten gegeben und das Semester somit für mich hier beendet. Nicht mehr viele Tage stehen hier in Kanazawa an, daher habe ich alle verbliebenen Urlaubstage genommen und sehe, was ich alles organisieren muss und noch erleben kann. Erdstöße, ich kann mir das Grinsen einiger Japaner nun vorstellen, habe ich am frühen Sonntagmorgen zweimal erleben dürfen. Ich liege auf einem Futon, keinem dicken, und einigen Teppichen auf dem Fußboden, was mich jede Art von Erschütterung sofort spüren lässt. Die erste ließ mich aufwachen, die nächste längere dann aufstehen, den Gashahn zudrehen, Wasser abfüllen, meinen Fahrrad-Helm holen und dann alles neben meinem Bett platzieren. Irgendwie hatte ich die Nachrichten über das Beben in Neuseeland vor 2 Wochen in Erinnerung, glaube ich, das auch viele Menschen überrascht hatte. Zum Glück wurde es nicht schlimmer und noch ein vielfältiger Tag, obwohl ich einen extremen Kater vom Vorabend hatte.
Gestalterisch phantasievoll wurde es im Verlaufe des Tages im Hause Sawada dann zudem. Das Paar habe ich durch meinen Unterricht an der hiesigen VHS, dem sogenannten “City-College” kennen gelernt. Da die beiden im Mai zusammen eine Woche lang eine Reise nach Deutschland machen werden, hatten sie mich gefragt, ob ich ihnen nicht ein wenig Deutsch im Rahmen der Reisevorbereitungen beibringen könnte. Das machen wir nun, was sehr lustig ist und Spaß macht. Frau Sawada ist sehr originell und probiert sich in vielen japanischen Künsten, was dazu geführt hat, dass sie eine kleine Ausstellung von Obi, das sind die Gürtel des japanischen Kimono, im bekannten Museum für Moderne Kunst hier in Kanazawa haben wird. Nachdem dieses Energiebündel herausgefunden hatte, dass ich mich für japanisches Papier interessiere, fragte sie mich, ob ich auch Lust hätte, etwas anderes zu sehen und auszuprobieren, was wir dann gestern zusammen taten. Auf dem Programm stand “Bingata“, worüber ihr hier einen gut gemachten Beitrag zum Thema sehen könnt:
(Quelle: youtube: Ryukyu Kimono Part 1 – Introduction & Bingata Dyeing)
Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig, die Designs wunderschön und es ist ein traditionelles Handwerk, was wirklich zu schönen Ergebnissen führt. Frau Sawada hatte schon einiges vorbereitet, da ich mich für einen “Noren“, einen japanischen Vorhang entschieden hatte, der meist zweiteilig in Fenster, Türrahmen oder Eingänge gehangen wird. Das Motiv dafür hatte sie ebenso schon entschieden, daher bitte nicht wundern, was ihr oben auf den Bildern seht. Um ein wenig das zu bearbeitende Material, die Pinseltechnik und die Farben kennen zu lernen, zeigte sie mir auf einem kleinen Stück Stoff zuerst einige Prozesse und Arbeitsweisen. Danach ging es dann an die farbliche Gestaltung des Motivs auf dem bereitgestellten Noren. Da die Farben nun einige Tage zum Trocknen brauchen werden, bevor mit heißem Dampf die Emulsion, anscheinend auch eine speziell aus Reis hergestellte Paste, vom Stoff gelöst werden kann, gibt es hier noch nicht das endgültige Ergebnis zu sehen, auf das ich schon sehr gespannt bin. Ich werde es euch dann später präsentieren.
4 responses to “Kreativer Ausbruch und Erdstöße”
bingata daisuki!!
schööööööööööön!
Das sieht auf jeden Fall schön aus und ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis, wobei ich mir aber auch denken kann, dass Du Dir das Motiv so nicht ausgesucht hättest.
🙂
Ist alles in Ordnung in Kanazawa? Berlin macht sich Sorgen angesichts der schlimmen Nachrichten.
[…] Facetten der japanischen Kultur erlebt. Frau Sawada war die Dame, die mir die Färbetechnik „Bingata“ näher brachte. Das Lachen von Frau Sawada hat bestimmt auch ihren Mann verzaubert. Irre […]